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Von Dortelweil bis Frankfurt Nied

Rudern auf Frankfurts kleinem Fluss

Der Wunsch:

Ruhig und Idyllisch: Frankfurts Nidda

Ortskundige Ruderer werden sich die Frage stellen wie man dazu kommt auf der Nidda rudern zu wollen. Die Antwort liegt auf dem Radweg entlang der Nidda. Wie viele andere Menschen auch hat es mich in den letzten eineinhalb Pandemiejahren (noch) mehr ins Freie getrieben und Strecken die sonst mit der U-Bahn zurückgelegt wurden, wurden nun erradelt. Fahrten von der Schwanheimer Düne ins Westend, vom Riedberg nach Ginnheim, von Eckenheim nach Bonames, oder entlang des Grüngürtelradwegs führten immer wieder an der Frankfurter Nidda entlang. Das glatte und verwaiste Wasser des kanalisierten Flusslaufs weckte dabei immer wieder den spontanen Wunsch „hier müsste man rudern“. Und nach eineinhalb Jahren des Radfahrens entlang der Frankfurter Nidda gab es dann die eine Fahrt die das Fass zum überlaufen brachte: „Ich muss auf der Nidda rudern!“

Vom Wunsch zur Idee:

Umgestürzte Bäume, Stromschnellen und Engstellen prägen den Fluss oberhalb von Frankfurt

Um auf der Nidda rudern zu können muss das Boot an die gewünschte Einsatzstelle gebracht werden. Das leuchtet ein. Doch für Ruderboote wirklich komfortable Einsatzstellen gibt es nicht. Neben ein paar schmalen Treppen die zum steinigen Flussufer herabführen sind auf den Radfahrten nur die zahlreichen Wehre, die sich im Frankfurter Stadtgebiet im Abstand von etwa zwei Kilometer aneinanderreihen, die für Ruderer jedoch bestenfalls als abenteuerlich beschrieben werden können, als theoretisch mögliche Einsatzstellen aufgefallen. Ohne Hilfe geht also gar nichts. Bei der nächsten Gelegenheit wurde also Alex gefragt, ob er mir ein Boot an die Nidda fahren kann und mich gegebenfalls im Kanu begleitet um mir beim Ein- und Aussetzen zu helfen: „Ja klar, mach ich.“ Sandra und Katja mischen sich dazu: „Da fahren wir mit! Aber wenn dann wollen wir auch dahin wo es Landschaftlich schön ist und nicht nur auf einem kanalisierten Fluss durch bebautes Stadtgebiet.“ Und so wurde aus dem Wunsch einmal ein Stück auf der Nidda zu rudern die Idee einer längeren Ruder- und Kanutour auf der Nidda und wenn, dann wird natürlich alles abgefahren was sich verantwortungsvoll errudern lässt.

Von der Idee zum Plan:

Auf den rot markierten Flussabschnitten ist die Nidda von März bis Oktober gesperrt

Aus diversen Erzählungen von Kanuten war bekannt, dass die Nidda wegen Renaturierung auf bestimmten Abschnitten nicht mehr befahrbar ist. Wo genau das ist, ließ sich im Internet nur mühsam herausfinden. Dort wurden verschiedene Abschnitte und Flußkilometer genannt. Ohne eine genaue Streckenbeschreibung der Nidda, ließen sich die gesperrten Abschnitte jedoch nur grob abschätzen. Der erste Schritt zu einer Planung war also die Erstellung einer Streckenbeschreibung. Anhand des Google Satellitenbildes wurden alle Brücken, Wehre und dort ersichtlichen Hindernisse zusammen mit dem jeweiligen Flusskilometer dokumentiert. Allein auf Grundlage des Satellitenbildes lässt sich natürlich keine genaue Streckenbeschreibung erstellen. Daher wurde an einem brütend heißen Sonntag nach dem morgentlichen Rudern die Nidda von der Mündung bis Dortelweil mit dem Fahrrad abgefahren. Als spannendste Aufgabe erwies sich dann eine geeignete Einsatzstelle in Bad Vilbel oder oberhalb zu finden, jedoch noch vor den gesperrten Abschnitten. Tatsächlich konnte ich am Sportplatz in Dortelweil eine geeignete Einsatzstelle ausmachen. Gerade unterhalb der renaturierten Abschnitten oberhalb von Dortelweil. Der Startpunkt war somit gefunden. Das gewünschte Ziel, die Niddamündung, war sowieso gesetzt. Das Team aus zwei Kanus und zwei Fahrrädern als Begleiter, Lotsen und Tragehilfen war auch fix, also blieb nur noch losrudern und schauen wie weit wir kommen.

Die Umsetzung des Plans:

Mit Ruder- und Kanubooten bepackter Hänger

Samstag nach dem Rudertraining werden zwei Kanus und der Mafisch auf den Kanuhänger verladen. Sonntagmorgen um 8:00 geht es dann auf in Richtung Dortelweil. Landdienstfahrrad Nr. 1 liegt im Kofferraum. Mit diesem Fahrrad fährt Alex dann nach dem Umsetzen des Busses Niddaaufwärts, bis er wieder zur Wassermannschaft stößt. Udo fährt mit Landdienstfahrrad Nr. 2 direkt nach Dortelweil. Wenn man schon die 24,5 Niddakilometer von Dortelweil bis zur Mündung fährt, sollten auch noch die 30 km voll gemacht werden, damit die Befahrung der Nidda auch vom Deutschen Ruderverband registriert wird. Eine 24,5 Kilometertour mit diversen Umtragen ist für den DRV keine Wanderfahrt. Damit diese fragwürdige Einschätzung nicht dazu führt, dass das rudern auf der Nidda unter den Tisch fällt, wurden in und um Dortelweil erst einmal kleine Runden von 5,5 km Länge gerudert. Aufgrund des regnerischen Wetters der Vortage hatte die Nidda genug Wasser und mit Flachstellen mussten wir uns kaum auseinander setzen. Jedoch erforderte die Strömung beim Ablegen in Dortelweil einiges Geschick, um auf der hier sehr schmalen Nidda nicht gleich am anderen Ufer mit Gebüsch und Steinen zu kollidieren. Der Flussabschnitt rund um Dortelweil ist sehr idyllisch. Eisvögel und Libellen begleiteten den Mafisch auf seinen kleinen Runden bis zur Eisenbahnbrücke. Um das Boot bei der erhöhten Strömung in den Engstellen gut zwischen den Steinen hindurch zu zirkeln wurde vorerst stromab hauptsächlich gestrichen, also vorwärts gerudert. Nach anfänglicher Skepsis wurde ausgetestet, dass die Engstelle mit erhöhter Strömung direkt hinter der Einsatzstelle sowohl stromab als auch stromauf passierbar ist.

Auf dem oberen Streckenabschnitt muss gut manövriert werden

Nachdem die fünfeinhalb Kilometer voll gemacht wurden ging es los, begleitet von Sandra und Katja in den zwei Kanus und Udo auf dem Fahrrad. Der Blick blieb dabei meist nach vorne gerichtet. Nur vor langfristig gut einsehbaren geraden Strecken wurde gewendet und „normal“ gerudert. Kurz vor dem Dottenfelder Hof blockierte eine Schwanenfamilie die Nidda auf kompletter Breite. Beim Umschiffen der Buhnen musste sich also auf das Tempo der Schwäne eingelassen werden, die offensichtlich nicht die Anwesenheit von Booten gewohnt waren. Die Strecke nach Bad Vilbel hinein war dann weniger kurvenreich und konnte zum Großteil rückwärts rudernd bewältigt werden. Die Stadtdurchfahrt durch Bad Vilbel hatte dann auch einige Sehenswürdigkeiten zu bieten: der Kurpark mit Vilbeler Burg und historischer Holzbrücke, und wer kann schon von sich behaupten mal unter einer Bibliothek durchgerudert zu sein. Stadtauswärts erforderte dann noch einmal eine Brücke etwas Geschick, um gut durch den stark durchströmten, schmalen Bereich zwischen den Pfeilern durch zu kommen. Inzwischen hatte auch Alex mit dem Fahrrad wieder aufgeschlossen und wir näherten uns der ersten geplanten Pause an der Mündung des Eschbachs, vor der nur noch ein Abschnitt passiert werden musste, bei dem die tief über dem Fluss hängenden Äste einige Liegerudereinlagen erforderten. Nach einer kurzen Kekspause und Landdienstwechsel ging es dann weiter in Richtung Eschersheim, wo wir am Wehr die planmäßige Mittagspause abhalten wollten.

So schön ist Wassersport in Harheim

An eine kleine Stromschnelle, die problemlos zu passieren war, schloss sich ein Abschnitt mit dicht bewachsenem Ufer an. Die bei der Vorbereitung gesichteten Bäume, die quer im Wasser lagen, ließen sich sehr gut umfahren. Belohnt für diese Mühe wurde die Wassermannschaft mit einem Frankfurter-Urwaldfeeling: Am Ufer Orchideen und Bäume, viele vor den Booten fliegenden Eisvögel und einzig der omnipräsente Plastikmüll vermittelt den Eindruck einer Großstadt. Als der Radweg am Ufer wieder sichtbar wurde, war jedoch vom Landdienst weit und breit nichts zu sehen. So musste die kritische Stelle mit den vielen Steinen die in einer Stromschnelle quer über den Fluss verteilt sind nur mit Hilfe der Kanus passiert werden. Dank des günstigen Wasserstandes konnte Alex schnell eine passende Durchfahrt zwischen zwei Steinen erspähen, die auch mit dem Ruderboot leicht zu treffen war. Nach einer kurzen Inspektionsfahrt in den Kalbach ging es dann rasch vorbei am alten Hubschrauberlandeplatz bis zum Eschersheimer Wehr. In der anschließenden Pause schmeckte das Essen hervorragend und die Fahrt gingt weiter durch Frankfurt hindurch.

Einsetzen der Boote unter der Autobahn A66

Vorbei an den Stadtteilen Heddernheim am rechten und Eschersheim am linken Ufer gelangten wir zum Praunheimer Wehr. Zuerst das Ruderboot rausheben, dann die beiden Kanus. Im Unterwasser werden dann die Kanus zuerst zu Wasser gelassen um einen kleinen Vorsprung zu erhalten, der nach ein paar dynamischen Schlägen im Mafisch auch schnell wieder aufgeholt ist. Soweit die Routine beim Umtragen. Leider war hier der Wiedereinstieg ins Ruderboot nur sehr umständlich möglich, da das landseitige Skull lang gemacht werden musste und Sandra das Boot kaum stabil halten konnte. Es wurde schon ein schwimmender Einstieg erwogen als es dann doch irgendwie mit sehr sehr großem Schritt gelang. Nachdem der Stadtteil Praunheim am rechten Ufer zurückgelassen wurde, erreichten wir das Hausener Wehr, direkt an der A66.

Das Umtragen der Boote erforderte vollen Einsatz

Der weitere sehr idyllische Streckenverlauf führt durch den Brentanopark. Manch einer fühlte sich hier schon an klein Venedig erinnert. Nach dem Umfahren der Insel gelangten wir an das Rödelheimer Wehr. Hier konnte der Landdienst nur vom anderen Ufer aus zusehen, wie die Boote am Petrihaus umtragen wurden. Nachdem dies erfolgreich absolviert und die Tore des Absperrzauns wieder ordnungsgemäß geschlossen wurden verdunkelte sich bei der Weiterfahrt der Himmel.

 

Die Umtragekaravane zieht weiter

Ein erster kräftiger Regenschauer konnten wir unter den Autobahnbrücken des Frankfurter Westkreuzes aussitzen. Der Zweite erwischte uns jedoch beim Umtragen am Sossenheimer Wehr. Da dieser von Blitz und Donner begleitet wurde musste hier eine kleine Zwangspause eingelegt werden. Nach ca. einer halben Stunde und dem Studium des Regenradars setzten wir die Fahrt fort, nur noch durch ein Wehr und knapp 3 Kilometer getrennt von der Mündung in den Main. Um vor dem nächsten Regen anzukommen blieb nur Zeit für ein schnelles Foto an der tierischen Wasserskistrecke, bevor oberhalb des renaturierten Höchster Wehres die Boote an einer Brücke wieder aus dem Wasser geholt wurden. Um die ca. 400 m bis zur Einsatzstelle unterhalb des Wehres zu bewältigen kam nun der auf dem Fahrrad mitgeführte Bootswagen zum Einsatz. Die Karavane aus zwei Fahrrädern, einem paar Skulls, einem getragenen Kanu und einem Bootswagen mit Ruderboot und Kanu zog dann den Niddaradweg entlang.

Die letzte Herausforderung vor der Mündung ist ein Drahtseilakt

Unterhalb des Höchster Wehres gab es dann noch ein paar flache Stellen die es zu beachten gilt. Die Tore der Kanuslalomstrecke, die sich kurz vor der Mündung befindet, konnten nicht alle getroffen werden, die Stangen sind jedoch leicht und ein Zusammenprall nicht schmerzhaft. Nachdem die Drahtseile im Mündungsbereich liegend passiert und ein strömungsbedingter Zusammenstoß mit den dort liegenden Schiffen vermieden werden konnte, konnten die letzten Meter auf dem Main zum Steg der RG Nied auch noch schnell bewältigt werden. Boote verladen, Heimfahrt und mit einem guten Abendessen ging dann unser Niddaabenteuer zu Ende.

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